12.04.2022 Saisonvorbereitung in Spanien Ein Bericht von Jonathan Heidel
Dieses Jahr hatte ich zum ersten Mal die Möglichkeit mich einen Monat lang intensiv in Spanien auf die Saison vorzubereiten.
Auf Anfrage bei meiner Schule konnte ich drei Wochen vom Präsenzunterricht freigestellt werden. Mit den Lehrern vereinbarte ich individuell, wie ich die fehlende Zeit aufarbeiten konnte. Da im März noch eine Woche Ferien waren, plante ich meinen Spanienaufenthalt so, dass ich also vier Wochen am Stücke hatte.
Die Woche vor der Abfahrt saß ich auf heißen Kohlen, da meine Mutter Corona bekam und ich einfach nur hoffte, dass ich es nicht bekomme.
Meine Mutter isolierte sich bestmöglichst von uns und ich blieb zum Glück verschont. Daraus ergab sich allerdings das nächste Problem, denn nun hätte mein Vater alleine die 1200 Kilometer nach Barcelona fahren müssen und am darauffolgenden Tag dieselbe Strecke wieder zurück. Wir fragten bei verschiedenen Leuten an, doch niemand hatte Zeit. Drei Tage vor der Abfahrt sagte dann schließlich ein Kumpel von mir zu und kurz darauf meldeten sich noch drei weitere Bekannte. Das hat mich sehr gefreut, dass mich so viele in meinem Vorhaben unterstützen wollten.
So konnte schließlich meine Reise nach Spanien am Samstag den 05.02. um 3 Uhr nachts losgehen.
Nach einer zwölfstündigen Fahrt kamen wir abends in Rubí an. Rubí ist ca. 20 Minuten von Barcelona entfernt und hier wohnte ich die Zeit über bei Familie Rodriguez. Mein Vater und mein Kumpel machten sich am Sonntagmorgen wieder auf den Rückweg nach Deutschland auf.
Miquel Rodriguez, der Vater der Familie Rodriguez, auch Suca genannt, ist bei dem spanischen Fahrer Pau Martinez als Minder und Mechaniker angestellt. Pau wurde 2020 Weltmeister in der Trial 125 Klasse und fährt mittlerweile in der Trial2 Klasse. Er ist Werksfahrer bei dem spanischen Motorradhersteller Vertigo, 19 Jahre alt und seit 2 Jahren Profi. Er macht nichts anderes außer Trial fahren.
Suca lebt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Rubí. Die älteste Tochter Leire, zu der ich durch meinen Trainer Jan Peters schon öfters Kontakt hatte und der mir auch diese Möglichkeit vermittelt hatte, studiert in Barcelona. So hatte die Familie Rodriguez ein Zimmer frei, in dem ich während meines Aufenthalts wohnen durfte.
Der Tagesablauf war Montag bis Freitag eigentlich immer der gleiche.
Meistens bin ich um halb 8 aufgestanden, habe dann etwas für die Schule gemacht und anschließend gefrühstückt. Um 9 Uhr haben Suca und ich uns auf den Weg zum Training gemacht. Unterwegs haben wir Pau aufgeladen.
Zu den meisten Geländen sind wir immer 30 - 60 Minuten mit dem Auto gefahren. Zwischen 10 und halb 11 Uhr begannen wir dann mit dem Training. Nach 3 ½ bis 4 Stunden Training machten wir uns wieder auf den Heimweg, sodass wir zwischen 15.00 und 15:30 Uhr wieder zuhause ankamen. Dort gab es dann erst einmal etwas zu Essen.
Nach einer kurzen Siesta bin ich dann meistens zusammen mit Suca in seine Werkstatt gegangen, um die Motorräder wieder für den nächsten Tag herzurichten. Suca machte das Motorrad von Pau und half mir zwischendurch, wenn ich mal an meinem Motorrad nicht mehr weiterkam. Wenn ich mein Motorrad fertig hatte, ging es für mich auf ins Fitnessstudio, was in der Regel zwischen 18.00 und 19.00 Uhr war.
Zum Fitnessstudio konnte ich zu Fuß gehen, da es nur 400m vom Haus entfernt war. Für den Zeitraum in Spanien machte ich dort eine Mitgliedschaft und mein Fitnesstrainer von Deutschland passte den Plan an das Fitnessstudio dort an. Nach 1 ½ bis 2 Stunden Training war ich dann zwischen 20.00 und 21.00 Uhr wieder zuhause. Bis zum Abendessen musste ich mich dann aber immer noch etwas gedulden, denn die Spanier essen sehr spät am Abend. An die Essenszeiten musste ich mich auf jeden Fall erst einmal gewöhnen. Schließlich war der Tag auch schon wieder vorbei und ich ging ins Bett.
An den Wochenenden war es oft so, dass wir immer nur einen Tag zum Fahren gegangen sind. Suca hatte dann mit seiner Tochter trainiert und ich bin für mich gefahren und habe Dinge geübt, bei denen ich keinen Fänger benötigte. Ein Tag am Wochenende war immer ein Ruhetag.
Beim Motorradtraining hatte ich mit Pau einen sehr guten Trainingspartner.
In der Weltmeisterschaft fahre ich dieses Jahr in der gleichen Klasse wie er. Pau ist schon etwas besser als ich, aber ich würde mal sagen, dass ich nicht so weit weg bin von ihm. Für mich war das Training natürlich perfekt, denn so konnte ich einiges von ihm lernen.
Da ich ja keinen eigenen Minder in Spanien dabei hatte, machte Suca die Zeit über bei mir auch Fänger. Wenn man einen neuen Minder hat, dauert es immer eine Weile bis man sich aneinander gewöhnt hat und weiß, wie der andere reagiert. An den hohen Stufen ist es sehr wichtig, dass man Vertrauen zu seinem Fänger hat, sonst kann es schnell wehtun. Aber das dauerte nicht lange, weil Suca mich immer gut gefangen hat und ich schnell Vertrauen in ihn hatte.
Wir waren jeden Tag in der Woche in einem anderen Gelände, denn im Umkreis von Barcelona gibt es gefühlte 1000 Gelände. Die meisten sind natürlich und nicht unbedingt legal. Aber es wird dort schon immer gefahren und deshalb wird es auch mehr oder weniger geduldet. Von den Geländen in Spanien kann man in Deutschland nur träumen.
Natürlich habe ich nicht jeden Tag mit Pau alleine trainiert, sondern wir haben uns öfters mit anderen Profifahrern verabredet oder welche getroffen. Wir haben uns öfters mit Gabriel Marcelli und Pablo Suarez getroffen, um zusammen zu trainieren. Marcelli war letztes Jahr auf Platz 7 in der höchsten Klasse bei der Weltmeisterschaft und er ist seit diesem Jahr der zweite Werksfahrer im Repsol Honda Team neben Toni Bou. Aber auch mit dem mehrmaligen Vizeweltmeister Adam Raga und dem norwegischen Trialprofi Sondre Haga, der letztes Jahr auf Platz 5 in der Trial 2 Klasse war, haben wir öfters zusammen trainiert. Dadurch, dass rund um Barcelona der Trialhotspot ist, trifft man beim Trainieren ständig andere spanische Profis oder auch welche von anderen Ländern. So entwickelt man sich ständig weiter, denn man sieht was andere machen und fahren oder probiert neue Sachen aus, auf die man selber nicht gekommen wäre.
In meiner zweiten Woche in Spanien war Jan Peters noch ein paar Tage bei uns, um mit Pau und mir Fotos und Videos für Jitsie zu machen. Das war ganz cool und hat auf jeden Fall Spaß gemacht.
Ich konnte mich aber nicht nur im Trialfahren verbessern, sondern habe auch eine Menge Spanisch gelernt. Mit Suca habe ich meistens eine Mischung aus Englisch und Spanisch gesprochen, denn er wollte sein Englisch auch verbessern. Mit seiner Frau habe ich nur Spanisch gesprochen, weil sie kein Englisch kann und mit seinen Töchtern war es mal Englisch oder Spanisch. Da ich Spanisch erst seit einem halben Jahr in der Schule lerne, hat mir es auf jeden Fall weitergeholfen.
In der ersten Märzwoche, was meine vierte und somit auch letzte Woche war, gab es leider noch ein paar unvorhergesehene Veränderungen. Suca musste kurzfristig mit Pau nach Belgien zu einem Sponsor fahren. Das bedeutete, dass er nicht mehr mit mir trainieren gehen konnte. Was aber eigentlich nicht so schlimm gewesen wäre, denn meine Eltern und mein Bruder wollten sowieso nach Spanien kommen. Jetzt bekam nur leider mein Bruder Corona und sie konnten nicht kommen. Da die Familie Rodriguez ursprünglich auch die vier Wochen eingeplant hatte, konnte ich bei ihnen weiterhin wohnen. Die Woche über konnte ich mit anderen Deutschen, die auch gerade in Spanien waren, weil zu dieser Zeit Ferien waren, trainieren gehen.
Am 05.03. war noch der TRS Lovers Day. Alle TRS Fahrer waren eingeladen, um zusammen zu trainieren. Mein Team aus Deutschland kam natürlich auch zu diesem Event und so verbrachte ich noch die restlichen Tage mit ihnen. Wir gingen noch zwei weitere Tage trainieren und sie nahmen mich am 8. März wieder mit nach Deutschland.
Mir hat der Monat in Spanien sehr viel Spaß gemacht und ich habe vieles gelernt. Es war eine unvergessliche Erfahrung und Zeit, in der ich mal Profiluft schnuppern konnte. Ich möchte mich bei allen bedanken, die das möglich gemacht haben und vor allem bei Familie Rodriguez, die mich sehr herzlich aufgenommen hat und sich sehr um mich gesorgt hat. Ich hoffe, dass ich sowas auf jeden Fall bald wieder machen kann.
Jetzt heißt es für mich hier in Deutschland weiter zu trainieren, um dann am 10. April für den ersten Lauf zur Europameisterschaft in Pobladura/Spanien bereit zu sein. Vorher werde ich noch am 27. März bei meinem Sponsor Zweiradsport Geyer in Bad Wurzach mit meinem Bruder Johannes eine Trial-Show fahren. Wer Lust und Zeit kann gerne vorbeischauen.
Amtzell, den 15. März 2022
Gruß Joni
